«Selbstbestimmung ist das höchste Gut»

Die Zürcher Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» wurde mit rund 13’000 Unterschriften eingereicht. In Höngg hat sich die Freitodhilfe in allen Altersresidenzen bereits durchgesetzt.

Die Freitodbegleitung ist Teil der Selbstbestimmung, so die Volksinitiative. (Symbolbild: Pixabay)

Der Rückhalt für die Zürcher Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» sei gross, schreibt das Initiativkomitee in einer Medienmitteilung. Am 1. November konnten rund 13’000 Unterschriften bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich eingereicht werden. Die notwendigen 6000 Unterschriften wurden damit deutlich übertroffen.

Die Initiative wird von den beiden Sterbehilfeorganisationen EXIT Deutsche Schweiz und DIGNITAS – «Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben» unterstützt, das Komitee zählt elf Mitglieder, darunter Jeannette Büsser, Kantonsrätin Grüne, Felix Gutzwiller, Alt-Ständerat FDP und der Theaterunternehmer Victor Giacobbo.

Mit der Initiative soll erreicht werden, dass private Alters- und Pflegeheime im Kanton Zürich dazu verpflichtet werden, Freitodbegleitungen in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. Anders sieht es beispielsweise bei den Gesundheitszentren für das Alter der Stadt Zürich aus, zu denen auch das Gesundheitszentrum Bombach in Höngg gehört. Dort sind Sterbehilfeorganisationen seit einem Stadtratsbeschluss vom 25. Oktober 2000 zugelassen.

Seit Juli diesen Jahres gilt zudem im gesamten Kanton Zürich, dass Bewohnende in Alters- oder Pflegeheimen, die von einer Gemeinde im Kanton Zürich betrieben werden oder von einer Gemeinde beauftragt sind, in ihren Räumlichkeiten auf eigene Kosten Sterbehilfe in Anspruch nehmen können.

Schulungen sind wichtig

In Höngg gibt es neben dem städtischen Gesundheitszentrum für das Alter Bombach drei private Häuser: die Residenz der Hauserstiftung Höngg, das Tertianum Residenz Im Brühl und das Pflegezentrum Riedhof. Alle drei Institutionen halten die Selbstbestimmung am Lebensende hoch, wie eine Nachfrage der «Höngger Zeitung» zeigt. Sie berichten aber nur von wenigen Fällen, in denen die Sterbehilfe im Hause angewandt wurde.

Dennoch: «Selbstbestimmung ist das höchste Gut», sagt Nicolai Kern, Geschäftsführer des Pflegezentrums Riedhof. Dazu gehöre auch der freie Entscheid eines Menschen, mit Freitodbegleitungen aus dem Leben zu scheiden. Daher seien Sterbehilfeorganisationen im Riedhof zugelassen. Kern betont, dass dies ohne Mithilfe der Mitarbeitenden des Pflegezentrums geschehe. Er hält es aber für wichtig, seine Angestellten zu diesem Thema zu schulen. «In unserem Haus arbeiten über 100 Menschen aus über 20 Nationen, nicht alle können mit der Sterbehilfe umgehen», sagt Kern. Es sei daher wichtig, diese Mitarbeiter*innen zu sensibilisieren und mit dem Thema vertraut zu machen.

Auch beim Tertianum Im Brühl stehe die Selbstbestimmung im Fokus, sagt der Geschäftsleiter Beat Schmid. Darum haben seine Bewohnenden auch das Recht auf Sterbehilfe. «Ich als Geschäftsführer bin in diesen Prozess involviert, indem ich mit den Betroffenen ein Gespräch führe», so Schmid. Dabei gehe es darum, der Person den Respekt zu erweisen. Aber auch, um Organisatorisches zu besprechen, etwa den Zeitpunkt oder die Mitteilung an Mitbewohnende. Die Sterbehilfe selbst wird, wie bereits im Riedhof, von den entsprechenden Organisationen übernommen. Schmid hält weiter fest, dass in seinem Hause die Palliative Care eine grosse Rolle spiele. «Unser Unternehmenszweck ist es, Lebensfreude zu ermöglichen, und das mit gezielter und individueller Unterstützung», sagt Schmid.

Der freie Wille

Die Freitodbegleitung ist auch bei der Hauserstiftung in Höngg möglich, sagt Institutionsleiter Romano Consoli. Er verweist auf die internen «Grundlagen der Sterbekultur». Darin heisst es, dass der Schwerpunkt auf der Palliative Care liege, es gelte aber auch zu akzeptieren, dass es nicht immer möglich sei, ein Leben ohne Leiden zu ermöglichen. Deshalb werde die Sterbehilfe bei der Hauserstiftung Höngg akzeptiert. «Es muss dabei sichergestellt sein, dass es der freie Wille ist und die Urteilsfähigkeit vorhanden ist», sagt Consoli. Das Personal in der Hauserstiftung unterliege dabei, wie im Riedhof und im Tertianum Im Brühl, einem Mitwirkungsverbot. Allerdings können Mitarbeitende auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person bei der Freitodbegleitung anwesend sein.

Consoli sieht im Hinblick auf die Volksinitiative einen aufkeimenden Konflikt für andere Altersresidenzen, dem pflichten seine Höngger Kollegen bei. Sie erwähnen Heime, deren Leitbilder beispielsweise stark religiös geprägt sind. Dort wird die Freitodbegleitung abgelehnt, könnte aber per Gesetz durchgesetzt werden. «Jedes Heim sollte selbst darüber entscheiden dürfen, ob es die Suizidbeihilfe zulässt oder nicht», sagt Consoli.

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