«Stärkung der Oberstufe»

Die Alternative Liste (AL) hat im Kantonsrat eine Motion eingereicht, mit der sie die Abschaffung des Langzeitgymnasiums verlangen. Ein Gastbeitrag von Judith Stofer.

Engagiert: Judith Stofer, AL-Kantonsrätin. (Foto: dad)

Von Judith Stofer, Kantonsrätin AL

Im vergangenen Frühling sind im Kanton Zürich insgesamt 14 761 Schüler*innen zur Mittelschulprüfung angetreten. 2370 Schüler*innen haben die strenge Gymiprüfung nach der 6. Primarklasse bestanden und haben es somit direkt ins Langzeitgymnasium geschafft, 1644 sind nach der 2. und 3. Sek nach bestandener Prüfung ins Kurzzeitgymnasium übergetreten. Aktuell sind also 4014 Jugendliche in der strengen, sechsmonatigen Probezeit und durchlaufen damit eine weitere Selektionsphase.

Gesamtschulen schneiden besser ab

Macht Selektion die Schule qualitativ besser? Lernen Schülerinnen in einem selektiven Schulsystem besser und mehr? Oder schneiden Gesamtschulen ohne Selektionen besser ab? Erfahrungen dazu gibt es aus anderen Ländern. Dabei stechen vor allem die nordischen Länder, allen voran Finnland, mit ihren ganzheitlichen Schulsystemen ohne Selektionsdruck hervor. Die Ergebnisse der Pisa-Studien machen deutlich, dass die nordischen und finnischen Schulklassen die Bildungsziele besser als Schweizer Schüler*innen erreichen.

Über die Köpfe der Kinder hinweg

In der Schweiz kommt zumindest die frühe Selektion nach der 6. Primarklasse unter Druck. Wie der im März 2024 veröffentlichte «Schulleitungsmonitor Schweiz 2023 – Befunde zu Selektion und Kommunikation» der Pädagogischen Hochschule FHNW (Fachhochschule Nordwestschweiz) deutlich macht, ist eine Mehrheit der befragten Schulleiter*innen aus den Kantonen Zürich, Aargau, Bern, Luzern und St. Gallen der Ansicht, dass eine Selektion nach der 6. Primarschulklasse aus entwicklungspsychologischer Sicht zu früh stattfinde und die meisten Kinder noch zu unreif seien, um beim Selektionsverfahren angemessen mitentscheiden zu können. Zudem sei das Übertrittsverfahren für die Kinder sehr belastend. Eine Mehrheit der Befragten stimmte zu, auf die Selektion nach der 6. Klasse zu verzichten.

Für eine starke Volksschule

Die Alternative Liste (AL) hat diesen Steilpass aufgenommen und Mitte September im Kantonsrat eine Motion zur Abschaffung des Langzeitgymnasiums eingereicht. Die AL steht seit ihrer Gründung vor mehr als 30 Jahren für ein starkes öffentliches, unentgeltliches und somit chancengerechtes Bildungssystem ein. Ziel von Bildung muss sein, alle hier lebenden Menschen zur Partizipation in Gesellschaft, Kultur und Politik zu befähigen. Alle Kinder und Jugendlichen sollen in der obligatorischen Schulzeit dieselbe Schule besuchen.

Mit unserem Vorstoss möchten wir zu einer Stärkung der elfjährigen, unentgeltlichen Volksschule beitragen. Die Abschaffung des Langzeitgymnasiums im Kanton Zürich ist ein erster Schritt zu einer chancengerechteren Gesamtschule. Aus diesem Grund setzt sich die AL für ein einheitliches Oberstufensystem ein, das den Bedürfnissen der einzelnen Schüler*innen gerecht wird. Leistungsstarke Schüler*innen können nach der Oberstufenzeit weiterhin in ein Kurzzeitgymnasium wechseln.

Im Elternmagazin «Fritz und Fränzi» kritisierte der Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter (VSL CH), Thomas Minder, die Selektion als ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert und forderte ein schülergerechteres Bildungssystem: «Wenn wir es in der Schweizer Volksschule also richtig gut machen möchten, müssen wir mit den traditionellen Modellen aufräumen und die Selektion abschaffen. Stattdessen sollten wir innerhalb des Unterrichts unterschiedlich schwierige Lernangebote zur Verfügung stellen, und die Kinder und Jugendlichen wählen das Niveau selbst aus.»

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