Urbanisierung des Klettersports

Soll man schon bald mitten in Zürich, unter freiem Himmel und über den Dächern der Stadt Mehrseillängen klettern und dabei eine neue Perspektive auf die Quartiere und gleichzeitig das Voralpen-Panorama erleben können?

Die drei Architekten der IG Zürinordwand Adrian Walther, Pascal Hendrickx und Robert Fischer stellen ihr Projekt an der Podiumsdiskussion nochmals vor.

Anfangs Februar haben Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, Quartier, Architektur und dem Klettersport im Architekturforum Zürich über die Realisierbarkeit einer urbanen Outdoor-Kletterwand in Zürich diskutiert. Eingeladen zu dem Anlass mit dem Titel «Urbanisierung des Klettersports» hat die «IG Zürinordwand». Diese hatte vergangenen Herbst die Idee lanciert, am 118 Meter hohen Swissmill-Silo mitten in Zürich Kletterrouten einzurichten. Es würde die höchste urbane Kletterroute der Welt entstehen. Mit dieser Vision trat die «IG Zürinordwand» an die Öffentlichkeit und reichte sie in Form eines offenen Briefes bei der Gebäudeeigentümerin Coop ein. Diese teilte jedoch mit, dass eine Fremdnutzung des Siloturms nicht vorgesehen sei.

Breites positives Echo in der Bevölkerung

Das zuvor in der Bevölkerung und den Medien ausgelöste Echo war allerdings ausgesprochen breit und positiv: So wurde der offene Brief von über 3‘200 Personen mitunterzeichnet. Und die Idee ist, obschon kühn, weit mehr als reine Utopie. Verschiedene Beispiele im In- und Ausland widerspiegeln einen Trend zum Klettern mitten in den Städten – dies auch ausserhalb von Kletter- und Boulderhallen. Somit blieb das Thema für die Initianten der «IG Zürinordwand» aktuell und ein öffentliches Podium wurde initiiert. Das Kornhaus ist nicht der einzige industrielle oder gewerbliche Bau mit einer höheren, fensterlosen Fassade, die eine Nutzungserweiterung mit Urban Climbing zulassen würde. So sollte denn auch nicht ein spezifisches Gebäude im Fokus der öffentlichen Veranstaltung stehen. An der Diskussion beteiligten sich Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung Zürich, Stefan Kurath, Architekt und Professor an der ZHAW, Simon Riediker, Präsident der IG Kletteranlagen und Betreiber der Kletterhalle 6a plus in Winterthur, Benjamin Leimgruber vom Quartierverein Wipkingen und Adrian Walther von der «IG Zürinordwand». Anna Schindler hob den Nutzen vom «Urban Climbing» für die Standortförderung hervor: «Es entstünden neue Perspektiven auf die Stadt und eine neue Nutzung. Mehrfachnutzungen sind angesichts der beschlossenen Innenentwicklung ohnehin eine kluge Sache».

Die Stadt ist ein Aneignungsraum

Allgemeine Fragen zu Chancen und Risiken eines solchen Vorhabens für Zürich standen allerdings nicht lange im Zentrum der Diskussion. Das Gespräch konzentrierte sich bald auf das Swissmill-Silo, welches ursprünglich den Traum einer «Zürinordwand» begründete. Stefan Kurath zeigte grosse Sympathie für die angedachte Nutzungserweiterung: «Das Gebäude ist privat, tangiert aber den <öffentlichen Luftraum>. Daher sind Ansprüche aus der Bevölkerung gerechtfertigt und es wäre anmassend, würde Coop nichts zurückgeben. Ausserdem ist die Stadt per se ein Aneignungsraum und der Nutzungswandel gehört zur Architektur dazu». Ebenfalls von Aneignung sprach Benjamin Leimgruber: «Anders als bei Verschönerungsideen geht es hier darum, Freizeitraum in der Stadt zu schaffen. Darum unterstützen wir vom Quartierverein das Projekt».

«Coop für uns alle»

Warum nach Alternativen suchen, wenn der Swissmill-Turm mit seinen über 100 Meter langen, komplett vertikalen und fensterlosen Betonwänden über der Limmat doch geradezu prädestiniert wäre für eine Kletterwand mitten in der Stadt? Seine Höhe würde Kletterrouten ermöglichen, die mehr als doppelt so hoch wären wie die derzeit weltweit höchste innerstädtische Kletterwand in Reno, Nevada, USA. Simon Riediker, der das präsentierte Betriebskonzept als realistisch und verantwortungsbewusst beurteilte, wies zudem auf das Marketing-Potential für die Gebäudeeigentümerin hin und bemerkte in Anspielung auf deren Slogan: «Coop für mich und dich – also auch für die Stadtbewohner und urbanen Kletterfreunde. Coop für uns alle».

Hybridnutzungen in Zukunft von Anfang an mitdenken

Im Publikum interessierte die Frage, warum für solche Gebäude in der Stadt nicht von Beginn weg Hybridnutzungen gefordert werden. Wäre die Idee einer Kletterwand bereits dann ein Thema gewesen, wäre deren Umsetzung – die Klärung finanzieller und rechtlicher Fragen vorausgesetzt – wohl wesentlich einfacher gewesen. Im Fall des Kornhauses hat die Bevölkerung über den Bau abgestimmt. Er wurde als gewerblicher Zweckbau deklariert – und als solcher von der Bevölkerung auch angenommen und durch die Stadt bewilligt. War man sich damals zu wenig bewusst, dass das höchstes Silo der Welt und Symbol für Industrie und Nahrungsmittelversorgung der Stadt Zürich eine starke Präsenz im Stadtbild und Potential für kollektive Aneignung haben wird? Der Bau könnte mehr sein, als bloss eine blinde Hülle eines Speichers. Es ist zu hoffen, dass solche Aspekte künftig frühzeitig berücksichtigt werden. Dies könnte auch dem urbanen Sportklettern zugutekommen. Die «IG Zürinordwand» bleibt dran. Der Traum vom Outdoor-Klettern mitten in der Stadt ist noch nicht ausgeträumt!

Eingesandt von Pascal Hendrickx, Architekt, Gründungsmitglied «IG Zürinordwand»

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