Vom Schnäpsliweg zur In-Meile

Das Quartier Wipkingen hat einen massiven Wandel durchlebt. Vom verruchten, heruntergekommenen Kneipen- und Spelunken- Paradies zum hippen Trendquartier an der Limmat. Sinnbildlich dafür ist die Dammbar, die eine bewegte Geschichte hinter sich hat.

Michel Häberli und Tim Hartje vor der Dammbar.
Der Märchengarten der Dammbar.
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An einem normalen Samstagabend im Sommer herrscht im Garten vor der Dammbar reger Betrieb. Fast alle Tische sind belegt. In der Abenddämmerung wirkt der Vorplatz der Dammbar mit den bunten Lichterketten und Fähnchen, den verspielten Sitzgelegenheiten, wie beispielsweise einer alten Ski-Gondel oder einem runden, hellblau lackierten Holzpavillon, ein bisschen wie eine kleine Märchenwelt. Noch vor wenigen Jahren jedoch hätte dieser Märchengarten der Dammbar noch nicht mal die Bezeichnung «Garten» verdient.

Wipkingen und der Schnäpsliweg

Die vormalige Kneipe stand sinnbildlich für das gesamte Quartier. Mit dem Nordbrüggli, der Löwenbar – die es mittlerweile nicht mehr gibt –, dem Belmondo und dem Kiosk am Röschibachplatz gab es entlang der Dammstrasse hinauf zum Röschibachplatz gleich eine ganze Reihe solcher Spelunken. Viele der «Stammgäste» kamen extra nach Wipkingen, um in einer dieser Trinkstuben den Tag zu verbringen. Eine Zeitlang war die Dammbar sogar ein berüchtigter Bikertreff, in dem auch Hells Angels verkehrten. So erhielt diese Kneipenmeile den berüchtigten Übernamen «Schnäpsliweg» und war fester Bestandteil des alten Wipkingens.

«Damm für Dich»

Es war vieles anders vor sechs Jahren, als Tim Hartje und Michel Häberli die Bar übernahmen. «Die Dammbar war ziemlich heruntergekommen», erinnert sich Michel, «drinnen wurde geraucht, die Atmosphäre war entsprechend nikotingeschwängert und die Böden vermodert. Es war eine Spelunke, die vor allem tagsüber offen hatte und von gestandenen Trinkern besucht wurde. Abends schloss die Bar spätestens um 10 Uhr».
Für Michel und Tim war klar, dass ihnen viel Arbeit bevorstand, wenn sie die Dammbar neu lancieren wollten. Die beiden Geschäftspartner und Freunde, die neben der Dammbar auch das «Kafi für Dich» im Kreis 4 betreiben, schufen mit dem Slogan «Damm für Dich» ein neues Konzept und hauchten der ehemals verruchten Kneipe neues Leben ein. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als in Wipkingen eine generelle Welle der Aufwertung in Gange war und der Charakter des Quartiers sich in einem starken Wandel befand. Das Kernstück ihres Konzepts, das sich durch die ganze Neugestaltung zog, war die Idee, möglichst viel von der Infrastruktur und den Elementen der alten Dammbar wiederzuverwerten und somit ihren Charme zu erhalten. «Wir wollten die Bar nicht abreissen und komplett neu aufbauen. Unser Ziel war es, das bestehende Material in einer neuen Form zu verwenden und aufzufrischen, um so aus der Dammbar einen neuen Quartiertreffpunkt zu machen».

Die neuen Bedürfnisse der Wipkinger

Heute ist nur noch ein kleiner Restbestand des alten Wipkingens erkennbar. Die Häuser und Liegenschaften um den Bahnhof Wipkingen und den Röschibachplatz wurden saniert, neu gestrichen oder sogar ganz abgerissen und neu gebaut. Auch der Röschibachplatz selbst wurde vollständig umgebaut, was mit einem grossen Quartiersfest im Sommer 2015 zelebriert wurde. Das neue Selbstverständnis des Quartiers zeigt sich auch in einer neuen Durchmischung der Quartierbevölkerung und den dadurch entstehenden neuen Bedürfnissen der Wipkingerinnen und Wipkinger. Das sieht auch Michel von der Dammbar. «Das Bedürfnis der Anwohner*innen an ein quartierbezogenes Gastroangebot hat zugenommen. Die bestehenden Angebote sind gut besucht und die Nachfrage noch nicht gesättigt. Die Anwohner*innen möchten im Quartier bleiben».

Der Gastroaufschwung in Wipkingen

Die beiden Wipkinger Trendbars, der Damm und das Nordbrüggli, haben diese neuen Ansprüche erkannt und setzen vermehrt auch auf kulinarische Angebote. So plant die Dammbar den Ausbau der anliegenden Garage zu einer Sommerküche. Ziel ist es, parallel zum Kerngeschäft des Barbetriebs am Abend auch tagsüber einen Gastrobetrieb mit Küche aufzubauen. Im Nordbrüggli ist der kulinarische Aspekt schon etwas länger Teil des Konzeptes. Es gibt Frühstücks- und Brunchangebote sowie auch warme Speisen über die Mittagszeit.

Wipkingen ist seit einigen Jahren in einer Umbruchphase, die ihren Zenit vermutlich noch nicht erreicht hat. Das Quartier bewegt sich punkto Attraktivität und Vielfalt kontinuierlich aufwärts. Dass Wipkingen auch in Zukunft für junge Leute und Familien bezahlbar und attraktiv bleibt, hängt vor allem von den Hausbesitzer*innen sowie von der Quartierbevölkerung selbst ab. Denn sie bestimmen, in welche Richtung sich Wipkingen entwickeln wird.

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