Was bewegt die Jugendlichen in dieser speziellen Zeit?

Wie geht es den 12- bis 16-Jährigen im Kreis 6 und 10 während dieser Pandemie? Welche Bedürfnisse haben sie überhaupt? Diesen Fragen widmete sich Leslie Wenner in ihrer Praxisausbildung zur Soziokulturellen Animatorin

Jugendtreff an der Langmauerstrasse.

Während meiner Praxisausbildung habe ich in der OJA Kreis 6 & Wipkingen das Praxisprojekt «Aktivierende Bedarfserhebung in der Pandemiezeit» durchgeführt. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen erhofft sich die OJA Kreis 6 & Wipkingen, den Jugendlichen in der Pandemiezeit passende Aktivitäten zu ermöglichen. Auch ging es im Projekt darum, das Befinden und die Bedürfnisse der 12- bis 16-jährigen Jugendlichen im Einzugsgebiet der OJA Kreis 6 & Wipkingen zu ermitteln. Befragt wurden 16 Jugendliche und 15 Fachpersonen aus Wipkingen und dem Kreis 6.

Bedürfnis nach Halt und Sozialkontakten

In der speziellen Zeit von Covid-19 und den einschränkenden Massnahmen war zu vermuten, dass die Jugendlichen zusätzliche Bedürfnisse haben würden. Ausserdem ist das ausserordentliche Ereignis der Pandemie für die Jugendlichen eine schwer einschätzbare Situation, welche Unsicherheiten und Ängste erzeugt und das natürliche Bedürfnis nach Halt hervorruft. Ein 12-jähriges Mädchen, das dazu befragt wurde, meinte aufgewühlt: «Es ist doof, nicht zu wissen, was mit der Familie passiert, weil sie weit weg wohnt». Und ein 13-jähriger Junge erklärte betrübt: «Ständig herrscht Ungewissheit, man weiss nie, ob in zwei Wochen alles wieder offen hat oder nicht». Die Jugendlichen wollten ihre Routinen wie in der Zeit vor der Pandemie beibehalten und suchten nach Orientierung und Sicherheit. Ein 14-jähriger Junge meinte dazu: «Ich bin schon so lange in der Pandemie, ich habe keine Ahnung wie es früher war». Eine 13-Jährige antwortete nachdenklich: «Es wäre cool, wenn alles so wie früher wird und dass man wieder normal leben kann und nicht immer mehr schauen muss, was zu tun ist». Aus den Resultaten der Befragung geht hervor, dass Jugendliche ein Bedürfnis nach häufigerem sozialem Austausch und dem Aufbauen von neuen Sozialkontakten haben. «Ich habe (im Lockdown) weniger mit Freundinnen abgemacht», sagte zum Beispiel ein 14-jähriges Mädchen. Und ein 12-jähriger Junge berichtete, dass es ihm fehle, dass er während der Pandemie seine Freunde nicht gesehen habe.

Treffmöglichkeit und Abwechslung

Jugendliche haben das Bedürfnis, Räume für sich nutzen zu können und Abwechslung zu erleben. Sie würden dies beim Besuch von OJA-Räumlichkeiten und Aktivitäten bei der OJA erhalten. Auch wenn die regelmässigen Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel Trainings, ausfielen, suchten sich die Jugendlichen alternative Betätigungsfelder. Zudem haben sie das Bedürfnis, ihre Energien und Emotionen auszuleben. Ein 13-jähriges Mädchen erzählte erleichtert: «Hier (in der OJA) war es endlich mal möglich, mit Freunden hinzugehen und Musik zu hören, während andere Angebote nicht die Möglichkeit boten hinzugehen oder geschlossen waren. Hier konnte man sich ausleben und Corona für ein paar Stunden vergessen». Ein 12-jähriger Junge fügte an: «Man kann hier viel machen. Man ist ohne Eltern und kann hier einen Ausgleich haben. Man trifft sich mit Kollegen, man kann gamen, laute Musik hören. Es ist wie ein Rückhalt, dass man hier einfach mal herkommen kann, wenn man keine Lust hatte, zu Hause zu sein. Es ist einfach gut hier». Ein 12-jähriges Mädchen meinte, sie gehe in die OJA, um an andere Sachen zu denken, auch mit Maske. «Die OJA ist wichtig, um Spass zu haben.» Ein 16-jähriger Junge liess uns wissen, dass ihn die OJA inspiriere. Neben den OJA-Räumlichkeiten schätzen die Jugendlichen eine Bezugs- und Ansprechperson in der OJA: «Bei Problemen kann man hier mit jemandem reden, wenn man nicht mit den Eltern oder wem auch immer reden will», sagte ein 12-jähriger Jugendlicher. Die Jugendlichen äussern sich enttäuscht darüber, sich in der Pandemiezeit nicht bei grossen Veranstaltungen treffen zu können: «Man kann sich nicht mehr freuen, wenn etwas Grosses geplant wird. Es wird eh wieder abgesagt», meinte ein 14-Jähriger dazu. Die meisten trafen sich nach wie vor, aber in kleinen Gruppen. Es wurde ersichtlich, dass kleinere Gruppen für Jugendliche offenbar eine Einschränkung bedeuten und dass sich Jugendliche gern mit Gleichgesinnten und Gleichaltrigen treffen.
Gefragt wurde in den Interviews auch, ob Jugendliche in der Pandemiezeit allenfalls vereinsamen. Aufgrund der Aussagen konnte festgestellt werden, dass die Vereinsamung nicht die Regel ist. Die Jugendlichen waren froh, im Lock-down neben der Schulzeit mehr Freizeit zu haben. Auf Einschränkungen seitens der Behörden und auch seitens der Eltern reagierten die Jugendlichen negativ, was aber im Rahmen des normalen Prozesses der Ablösung von den Eltern nicht überraschte. Ein 12-jähriger Junge bekannte nachdenklich: «Ich habe Kollegen, denen die Eltern verboten haben mit anderen abzumachen. Das war nicht mehr lustig». Gerade die vorgegebenen Einschränkungen in der Pandemie führten bei den Jugendlichen zum Wunsch nach mehr Selbstbestimmung. Eine interessante Erkenntnis war auch, dass seitens der Jugendlichen Verschwörungstheorien kein Thema waren.

Initiativen und Aktivitäten

Aus der aktivierenden Befragung sind verschiedene Aktivitäten von Jugendlichen entstanden. Es konnten im Rahmen der Befragungen zwei Jugendliche gewonnen werden, welche selbstständig Befragungen bei anderen Jugendlichen durchgeführt haben. Zusätzlich haben sich einige Jugendliche entschieden, bei Workshops und beim Babysitting-Kurs mitzumachen und eigene Workshops zu organisieren. Eine Gruppe Jugendlicher entschloss sich, in einem von der OJA durchgeführten Skater-Workshop mitzuarbeiten. Eine andere Gruppe will in Begleitung der OJA Kreis 6 & Wipkingen bei der stadtweiten Aktion «Quartier macht Schule 2021» einen Spraykurs anbieten. Zudem wird ein 17-Jähriger den Kurs «Beats» in den OJA-Räumlichkeiten durchführen. Er möchte ab Herbst 2021 eine eigene regelmässige Musikveranstaltung in Begleitung der OJA anbieten. Das OJA-Team wird aufgrund der Erkenntnisse der Befragung die Angebote weiter an dem Bedarf der Jugendlichen ausrichten.

Von Leslie Wenner

 

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