Wie steht es um unsere Meinungsfreiheit?

«Black Lives Matter», «Fridays for Future», «Anti-Corona-Demo», «Marsch fürs Läbe» – was haben diese Demos gemeinsam? Sie sind allesamt Ausdruck von Bewegungen, die ihre Anliegen und ihre Meinung öffentlich kundtun möchten. Doch haben wirklich alle das Recht dazu? Weshalb bekommt der «Marsch fürs Läbe» 2020 keine Bewilligung von der Stadt Zürich?

Claudia Rabelbauer, EVP

Im September 2019 musste sich der Verein «Marsch fürs Läbe» zweifach gegen die abschlägige Antwort des Stadtrates zur Wehr setzen. Der Bezirksrat hiess den Rekurs des Vereins gut und bewilligte den Marsch. Dieser Entscheid wurde vom Stadtrat erneut angefochten und ans Verwaltungsgericht gezogen, wo das Anliegen des Vereins erneut gutgeheissen wurde. Der «Marsch fürs Läbe» wurde über den Kopf des Stadtrates hinweg genehmigt und fand auch statt. Jedoch in einem viel kleineren Umfang, da die Stadtpolizei trotz grossem Aufgebot nicht in der Lage war, gegen die kriegsähnliche unbewilligte Gegendemonstration die bewilligte Route für den «Marsch fürs Läbe» freizukämpfen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am «Marsch fürs Läbe» waren notabene Familien, Kinder sowie Seniorinnen und Senioren, die mit farbigen Ballonen und bunten Transparenten friedlich durch die Strassen zogen und ein Mahnmal für das Recht auf Leben setzten. Es ist schon bedenklich, dass die Stadt Zürich diesen September 2020 dem «Marsch fürs Läbe» erneut die Bewilligung verweigerte. Ein Schutzkonzept gegen Corona war dabei nicht der Grund. Aber was waren denn die Gründe? Die Polizei muss die Grundrechte aller schützen Die Vorsteherin des Sicherheitsdepartementes, Karin Rykart, argumentierte stets, dass sie die Sicherheit der Demonstrierenden nicht gewährleisten und aus diesem Grund dem Marsch die Bewilligung nicht erteilen könne. Was auf den ersten Blick sozial klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als Kapitulation vor der Verteidigung unserer Grundrechte. Die Meinungsäusserungsfreiheit, die in unserer Bundesverfassung verankert ist, schützt auch die Meinungskundgebung von Minderheiten durch öffentliches Auftreten mit bewilligten Demonstrationen. Die Versammlungsfreiheit, die ebenfalls in unserer Bundesverfassung verankert ist, schützt die Zusammenkunft von Menschen, die kollektiv ihre Meinung kundtun. Die Stadtpolizei und der Stadtrat haben ein Problem mit den Chaotinnen und Chaoten der unbewilligten Demos. Das zeigt sich bei der Androhung von Gegendemonstrationen, die dann zu gewalttätigen Ausschreitungen und Vandalismus führen. Unbewilligte Demos müssen vom Stadtrat verurteilt und mit polizeilicher Gewalt unterbunden werden. Gegendemonstrationen sollten nicht gleichentags bewilligt werden, damit die Sicherheit gewährleistet werden kann. Keine Intoleranz gegenüber anderen Meinungen Kann der Stadtrat die Sicherheit für den «Marsch fürs Läbe» nicht gewährleisten oder will er es einfach nicht? Egal, wie man persönlich über den «Marsch fürs Läbe» denkt, Toleranz beginnt ja genau dort, wo einem die Meinung des anderen nicht passt. Wird dessen andere Meinung durch Drohgebärden oder Gewalt unterbunden, kommt dies einer Preisgabe der Freiheit gleich.

Claudia Rabelbauer, Gemeinderätin EVP

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