Quartierleben
«Wo ich die Leute cool finde, bin ich gerne dabei»
Ob bei der Tierbetreuung auf dem «Wipkihof», beim Begegnungsraum im Bundesasylzentrum oder als Unterstützung im Atelier: Freiwillige stellen den Motor des gemeinschaftlichen Lebens im GZ Wipkingen dar. Was motiviert sie, sich zu engagieren? Drei Freiwillige unterschiedlicher Generationen berichten.
22. September 2025 — Dagmar Schräder
Das Gemeinschaftszentrum in Wipkingen steht mit seinem breiten soziokulturellen Angebot allen Quartierbewohnenden zur Verfügung. Dabei ist es nicht nur ein beliebter Begegnungsraum und Treffpunkt, sondern auch ein Ort, an dem sich die unterschiedlichsten Menschen engagieren. Hauptamtlich sind das die Mitarbeitenden des GZ, doch daneben ist noch eine Vielzahl an Freiwilligen aktiv. Aber wer sind die Menschen, die sich hier ehrenamtlich engagieren und was motiviert sie, sich unentgeltlich für die Gemeinschaft einzusetzen? Der «Wipkinger» hat drei von ihnen getroffen, die sich in ganz verschiedenen Bereichen einsetzen.

Das eigene Bedürfnis umsetzen
Da ist zum Beispiel Willi Fillinger. Der 77-Jährige wohnt bereits seit ungefähr dreissig Jahren in Wipkingen und betreibt hier eine philosophische Praxis. Seit einiger Zeit macht er sich vermehrt Gedanken über die Herausforderungen des Alterns und auch über die Endlichkeit des Lebens: «Noch bis vor wenigen Jahren hat mich das Älterwerden nicht besonders beschäftigt. Aber mittlerweile gibt es viele Dinge, über die ich mich gerne mit Gleichaltrigen austauschen möchte.»
Obwohl er in einer Beziehung lebe, einen intakten Freundeskreis besitze und noch sehr aktiv in seiner eigenen Praxis sei, fühle er sich manchmal einsam. Es müsste doch, so dachte er, eine Gruppe von Leuten geben, denen man sich mitteilen kann und mit denen man die Sorgen und Probleme, aber auch die speziellen Freuden und Hoffnungen dieses Lebensabschnitts teilen kann. Er machte sich auf die Suche nach einem derartigen Angebot, wurde aber nirgends fündig. Also wurde er selber aktiv.
Via Inserat im «Höngger Wipkinger» suchte er nach Menschen im Quartier, die sich in einem ähnlichen Alter befinden und an einem regelmässigen Austausch interessiert sind. Daraus ist eine Gruppe von acht bis zehn älteren Menschen entstanden, die sich nun seit einigen Monaten im GZ Wipkingen treffen. Die Themen bestimmen die Teilnehmenden jeweils gemeinsam, bei der Sitzungsleitung wechseln sie sich ab. Auf seine Motivation für das Engagement angesprochen, winkt er eher ab: «Ich weiss gar nicht, ob ich das überhaupt als Freiwilligenarbeit bezeichnen würde», erklärt er bescheiden. Im Grunde genommen bin ich nur meinem eigenen Bedürfnis gefolgt und hatte das Glück, dass das GZ mich unterstützt und die Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung stellt.»

«Mir liegt das Netzwerken»
Auch Gina Menegola lebt seit etlichen Jahren in Wipkingen. Im GZ ist sie schon lange aktiv, wie lange genau, das weiss sie schon gar nicht mehr. Sie ist Mitglied beim Netzwerk «Tauschen am Fluss» und bietet hier verschiedene Dienstleistungen wie einfache Gartenarbeiten, Pflanzengiessen oder auch Kinderhüten an. Ausserdem leitet sie im «Netzwerk 8037» die sogenannte Spieleria, organisiert also regelmässig stattfindende Spieltreffen. Für sie ist es der Kontakt zu anderen Menschen, der sie motiviert, sich gemeinschaftlich zu engagieren: «Ich liebe das Vernetzen», sagt sie, «und die Kommunikation mit Menschen.» Deshalb nutze sie eigentlich jede Gelegenheit, die sich ihr biete, um sich mit anderen austauschen zu können.
Eine solche gute Gelegenheit bietet ihr das Netzwerk «Tauschen am Fluss». «Die Tauschanlässe empfinde ich als sehr wertvoll», erklärt Gina. «Denn hier kann man Dienste anbieten und von anderen in Anspruch nehmen, ohne dass es um Geld gehen muss.» Eine wichtige Qualität haben für sie auch Anlässe wie die Spieleria: «Einmal monatlich organisieren wir einen Spieleabend, sorgen für Getränke und Sandwiches, man trifft sich, quatscht und spielt miteinander.» Ein einfaches Konzept, aber für Gina ein überaus kostbares: «Die Gespräche, das Lachen mit anderen, das macht mir nicht nur Spass, sondern bringt mir persönlich enorm viel. Diese schönen Begegnungen öffnen das Herz.»
Ehrenamtlich aktiv war Gina schon früher, neben ihrer Tätigkeit als Hortleiterin. Und das GZ ist bei Weitem nicht der einzige Ort, an dem sie ihre Leidenschaft für menschliche Begegnungen ausübt. Daneben hat sie noch zahlreiche weitere Passionen: Tanzen beispielsweise, etwa in der Tanzart «Ecstatic». Oder Fitness. Wichtig sind ihr vor allem auch die spirituellen Seminare, die sie besucht. Ihr Ziel dabei ist es nicht nur, ihr eigenes Bewusstsein zu erweitern, sondern auch, anderen etwas davon weitergeben zu können.

«Helfen passt zu mir»
Tamara Vandewall ist mit ihren 14 Jahren eine der jüngsten Freiwilligen im GZ. Das Gemeinschaftszentrum ist wie ihre zweite Heimat. Hier bewegt sie sich schon seit ihrer jüngsten Kindheit. Als Kleinkind besuchte sie mit ihren Eltern die Mal-Oase, wo die Jüngsten auf Leinwänden frei malen können, später war sie regelmässig am Mittwochnachmittag im Atelier anzutreffen. Selbst als die Familie vor einigen Jahren aus Wipkingen wegzog und sich zuerst im Zürcher Oberland und dann in Winterthur niederliess, ist Tamara dem GZ treu geblieben und hat schon sehr früh begonnen, den weiten Weg mit dem öV alleine in Angriff zu nehmen.
Seit einigen Jahren ist sie nun im Atelier keine Teilnehmerin mehr, sondern freiwillige Helferin. Denn irgendwann mal, als sie aus dem Alter der Krea-Kids herauswuchs, wurde sie von Rita, der Leiterin des Ateliers, gefragt, ob sie nicht aushelfen wolle. Da hat sie nicht lange gezögert. Sie engagiert sich freiwillig, weil, wie sie erklärt, «mich die Möglichkeit, anderen beim Ausführen ihrer Projekte behilflich zu sein, total motiviert. Ich helfe einfach sehr gerne.» Dafür nimmt sie auch in Kauf, dass sie an den Ateliernachmittagen meist nun gar nicht mehr dazukommt, selber kreativ tätig zu werden: «Helfen passt einfach zu mir», sagt Tamara.
Das haben auch schon andere entdeckt: Nicht nur im GZ, sondern auch in der Kletterhalle, in der sie oft und gerne zu finden ist, wurde sie vor Kurzem gefragt, ob sie nicht Jüngeren behilflich sein wolle, Klettern zu lernen. Dafür wird sie in naher Zukunft sogar eine kleine Coach-Ausbildung absolvieren.
Und warum sucht sie sich nicht in ihrer näheren Wohnumgebung eine Möglichkeit, aktiv zu werden? Erstens, so Tamara, mache ihr das Reisen mit dem öV Spass. Und zweitens «hat es etwas mit den Leuten zu tun. Wenn ich irgendwo coole Leute kennenlerne, dann bleibe ich auch sehr gerne dabei.» Nur schade, dass sich das wahrscheinlich nächstes Jahr ändern wird: Dann will Tamara eine Lehre beginnen und wird keine Zeit mehr für die Krea-Kids haben.
Redaktionelle Beiträge von:
GZ Wipkingen, Breitensteinstrasse 19a, Telefon 079 606 98 65, 8037 Zürich
Mail: karl-guyer@gz-zh.ch, www.gz-zh.ch
Für mich und andere: Freiwilligenarbeit als gesellschaftliches Engagement
«Wofür stehen wir ein? Für alle Menschen in Zürich. Wir schaffen Räume und Gelegenheiten für alle Menschen in Zürich. Egal, ob sie einfach sein und verweilen wollen oder sich aktiv betätigen, Ideen verwirklichen und Neues ausprobieren möchten.»
(aus dem Leitbild der Zürcher
Gemeinschaftszentren)
Kinderkultur organisieren, Tiere am Sonntagmorgen füttern, Spielabende durchführen, eine Gesprächsgruppe für das Altern leiten, ein kreatives Begegnungsatelier oder Kurse für Asylbewerbende anbieten, beim Kerzen- giessen und Binden von Adventskränzen mithelfen, im «Offenen Stall» die Kasse führen – es gibt unzählige Möglichkeiten, sich zu engagieren. Dafür musst du keine Spezialistin sein.
Was es braucht: unentgeltlich Zeit zur Verfügung stellen, Lust und Interesse, mit anderen etwas zu teilen, die Bereitschaft, eigenes Können und Gelerntes einzubringen und vielleicht Neues zu lernen, sich allenfalls in neuen Rollen zu erfahren. Reich wirst du an Erfahrungen, Erlebnissen, Begegnungen und durch das Verschenken. Und vielleicht profitierst du auch von anderen Angeboten, die auf diese Weise entstehen.
Als GZ-Betrieb sehen wir uns als Werkzeug und Geburtshilfe, damit dieses Engagement geschehen kann. Der Support von freiwilligem Einsatz ist ein wesentlicher Teil unserer DNA. Es ist vielleicht das, was die GZ einmalig macht: alle die verschiedenen Möglichkeiten, tätig zu werden, für sich und andere. Und für ein lebenswertes Quartier.
2024 wurden in den beiden GZ-Wipkingen-Standorten rund 5220 Stunden in Freiwilligenarbeit erbracht, das sind mehr als 100 Stunden jede Woche. Sie bilden das Fundament vieler Angebote. Das GZ ist ein ausgeprägter Mitwirkungsort. Es ist darum klar, dass wir den 5. Dezember besonders ins Visier nehmen, es ist der Internationale Tag der Freiwilligen.
Interessiert mitzuwirken? Nimm doch mit dem GZ-Sekretariat Kontakt auf. Alle Angaben auf der Website: gz-zh.ch/gz-wipkingen
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