Zu Gast bei Emma und Silvius

Die beiden Wollschweine Emma und Silvius Max, die im Gemeinschaftszentrum Wipkingen leben, gehören fast schon so sehr zu Wipkingen wie der See zu Zürich. Höchste Zeit, ihnen einmal einen offiziellen Besuch abzustatten.

Keine Berührungsängste bei den gefrässigen Ziegen.
Emma in Aktion.
Gleich kommt das Geschenk für die Minipigs.
So packen die Minipigs Geschenke aus.
Anstehen für Futter im Meerschweinchenstall.
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Rastlos streifen Silvius und Emma durch ihr Gehege, schnüffeln mal hier, mal dort und geben durch lautes Grunzen zu verstehen, dass sie langsam ungeduldig werden. Doch ein klein wenig müssen die beiden Wollschweine noch warten: Soeben sind die Besucherinnen und Besucher des Kinderbauernhofs in Wipkingen damit beschäftigt, leckere Überraschungen für die beiden in Zeitungspapier einzuwickeln und anschliessend in Kartonschachteln zu verpacken. So werden Äpfel, Fenchel, Rüebli und Mandarinen zu schweinischen Geschenken.

Zvieri will verdient sein

Endlich ist der Zvieri bereit und Terri Obrist, die Leiterin des Kinderbauernhofs, kann das Startsignal geben. Schwungvoll werfen die Kinder ihre Pakete über den Zaun zu den Schweinen, die sich ihren Snack nun erarbeiten müssen. Lange wird da nicht gefackelt. Silvius und Emma machen mit ihren Präsenten kurzen Prozess. Geschickt reissen sie mit ihren Schnauzen die Kartonverpackungen auf und suchen gierig nach den Leckereien, die sich im Inneren verbergen. Ungläubig beobachten die Kinder und ihre Eltern, wie flink die sorgfältig verpackten Obst- und Gemüsestückchen in den Mäulern der beiden Wollschweine verschwinden. Zu schnell ist das Spektakel vorbei, aber mehr Leckereien wären für die beiden nicht gut, auch sie müssen ein wenig auf ihre Linie achten. Zum Glück warten auf dem Kinderbauernhof noch drei Minipigs darauf, von den Kindern gefüttert zu werden. Auch die Meerschweinchen freuen sich über einen Besuch in ihrem gemütlichen Stall und dürfen mit ausgewähltem Grünfutter beglückt werden. Die sechs Zwergziegen und die fünf Hühner dagegen machen sich die Sache einfacher: Sie spazieren einfach über den Hof und ergattern sich immer mal wieder etwas Futter, auch wenn sie dafür von der Leiterin des Kinderbauernhofs Schelte ernten.

Ein offener Stall für alle

Es herrscht ein emsiges Treiben an diesem frühen Donnerstagnachmittag. Viele Mütter – und einige Väter – trudeln zwischen 14 und 15 Uhr hier mit ihren Kleinkindern an der Hand ein, auf dem Arm oft ein noch kleineres Geschwisterchen. Die meisten Kinder sind mit Regenhosen und Gummistiefeln gut ausgerüstet und zeigen gegenüber den frechen Ziegen kaum Berührungsängste. Das Angebot des Gemeinschaftszentrums, Stadtkindern den Kontakt zu Bauernhoftieren zu ermöglichen, stösst im Quartier auf viel Gegenliebe. Bereits seit den 50er-Jahren ist hier die Haltung von Tieren ein fester Bestandteil des soziokulturellen Angebots. Der Kinderbauernhof in seiner heutigen Form existiert seit 2009, er wurde im Zuge des Umbaus des Wipkingerparks neugestaltet. Obrist erklärt die Grundidee, die sich konzeptuell an den Stadtbauernhöfen in Berlin orientiert: «Es ist uns sehr wichtig, mit dem Prinzip des ˂offenen Stalls˃ ein niederschwelliges Angebot für alle Interessierten offerieren zu können. Wer Lust und Zeit hat, kann hier donnerstags und freitags gegen ein geringes Entgelt ohne Anmeldung vorbeikommen. Kleinkinder müssen von einer erwachsenen Person begleitet werden, für die älteren, ab vier Jahren, gibt es am späteren Nachmittag zudem die Möglichkeit, unbegleitet auf den Bauernhof zu kommen». Neu gibt es zusätzlich zum Angebot des «offenen Stalls» für besonders tierbegeisterte Kinder die Möglichkeit, sich im Rahmen der «Kiba Kids» oder «Kiba Teens» verbindlich für ein Quartal anzumelden und regelmässig jede Woche eine Stunde auf dem Bauernhof zu verbringen. Hier können die Kinder lernen, Verantwortung für die Tiere zu übernehmen, ihre Krallen zu schneiden oder auch mal ein Kunststück mit ihnen einzuüben.

Mithelfen und Erfahrungen sammeln

Aber auch beim «offenen Stall» dürfen die Kinder mit anpacken. Neben der Fütterung und dem Streicheln und Kennenlernen der Tiere ist das Ausmisten der Ställe eine wichtige Aufgabe, die die Besucherinnen und Besucher übernehmen können. Extra für diesen Zweck steht hier eine grosse Anzahl an kleinen Schubkarren bereit, die von den Kindern mit grosser Begeisterung genutzt werden. Auch heute können es einige Kinder kaum erwarten, endlich für Ordnung im Stall zu sorgen. Doch leider ist die Zeit dazu zu knapp. Stattdessen schlägt Obrist vor, das Laub auf dem Hof zu rechen, was bei den Kindern fast ebenso gut ankommt wie das Ausmisten. Mit Feuereifer schnappen sich die kleinen Hilfsbäuerinnen und -bauern eine Schubkarre und einen Rechen und fangen an, Laubhaufen zu erstellen. «Was wir am Nachmittag im offenen Stall jeweils machen, entscheide ich je nach Situation. Gefüttert werden die Tiere immer, ansonsten wird ausgemistet, eine Geschichte erzählt oder auch mal Schlangenbrot am Feuer gebacken. Oft braucht es gar keine grosse Animation meinerseits, die Kinder entdecken die Tiere und stellen viele interessierte Fragen, die ich ihnen dann beantworten kann. Als meine Hauptaufgabe betrachte ich es, den Kindern einen möglichst engen Kontakt zu den Tieren zu ermöglichen». Zu diesem engen Kontakt gehört auch, die Tiere ihr ganzes Leben lang zu begleiten. Hier dürfen die Tiere, die in den allermeisten Fällen aus dem Tierheim stammen oder von Haltern übernommen wurden, die sie nicht mehr behalten konnten oder wollten, bis an ihr Lebensende bleiben. Viele der Bewohner des Bauernhofs sind denn momentan auch ziemlich alt und es ist möglich, dass der eine oder andere den Winter nicht überlebt. «Auch das ist für die Kinder eine wichtige Erfahrung – zu erleben, dass ein Tier, dass man kennt und schätzt, auf einmal nicht mehr da ist. Plötzlich klafft etwa bei der Bildergalerie, wo alle Meerschweinchen mit ihrem Namen vorgestellt werden, eine Lücke. Das ermöglicht uns, so traurig es im Einzelfall jeweils ist, mit den Kindern das Thema Tod anzusprechen».

Eine intelligente Diva im Schweinestall

Bei den Wollschweinen ist dieses Thema hoffentlich noch lange nicht aktuell. Emma und Silvius sind mit ihren vier und sieben Jahren noch jugendlich frisch. Leider ist bei ihnen der körperliche Kontakt zu den Kindern nur begrenzt möglich. Gestreichelt werden dürfen sie nicht, dafür sind ihre Hauer einfach zu scharf. Nichtsdestotrotz sind Emma und Silvius die unbestrittenen Lieblinge aller Besucher. Wo bietet sich Stadtmenschen sonst schon die Gelegenheit, Schweine aus nächster Nähe zu beobachten? «Mit der Haltung der Wollschweine geht es uns auch darum, ein altes, fast vergessenes Nutztier wieder ein wenig bekannter zu machen. Die äusserlich stark an Wildschweine erinnernden Wollschweine gehören zu den ˂Pro Specie Rara˃-Arten, sind also eine Nutztierart, die immer seltener zu finden ist. Auch das weit verbreitete Image des dreckigen und dummen Schweins möchten wir hier gerne korrigieren. Unsere Schweine sind hochintelligent, was nicht nur an der Spielerei mit den Päckchen zu erkennen ist, sondern bei vielen anderen Gelegenheiten. So ist es mit ganz einfachen Mitteln möglich, den gelehrigen Schweinen die verschiedensten Dinge beizubringen. Schliesslich war Emma sogar schon einmal als Schauspielerin aktiv und hat in einer Fernsehserie mitgewirkt», so Obrist. Wer mehr über Emma, Silvius und ihre tierischen Mitbewohner erfahren möchte, ist jederzeit zu einem Besuch auf dem Kinderbauernhof eingeladen.

Öffnungszeiten Kinderbauernhof GZ Wipkingen:
Offener Stall: Donnerstag, 14 bis 15 Uhr und Freitag 14 bis 15.30 Uhr für Kinder und Erwachsene, Kinder bis vier Jahren in Begleitung eines Erwachsenen. Das Angebot findet nur statt, wenn es nicht regnet.
Kosten: 4 Franken pro Person.
Offener Stall für Kinder: Donnerstag, 15.15 bis 17 Uhr für Kinder ab vier Jahren ohne Begleitung, inklusive Zvieri. Das Angebot findet nur statt, wenn es nicht regnet. Kosten: 6 Franken pro Kind.
Kiba Kids: Dienstag, 15 bis 17 Uhr, Kiba Teens: Freitag, 16 bis 17.30 Uhr. Kosten: 50 bis 70 Franken pro Quartal.
Sinnvolle Weihnachtsgeschenke bietet der Kinderbauernhof in Form von Tierpatenschaften oder Eintrittskarten für den Bauernhof an.
Weitere Informationen: Terri Obrist: terri.obrist@gz-zh.ch oder
www.gz-zh.ch/gz-wipkingen/kinderbauernhof

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