Zum Jahresende: 11 Fragen an AL-Kantonsrätin Judith Stofer

Die ehemalige AL-Gemeinderätin Andrea Leitner hat mit Judith Stofer über Wipkingen, die Rosengartenstrasse und vieles mehr gesprochen.

Engagiert: Judith Stofer, AL-Kantonsrätin. (Foto: dad)

Judith, du bist eine «Hardcore-Engagierte». Du bist Journalistin und Gewerkschafterin, seit 2011 AL-Kantonsrätin, bist im Vorstand des Quartiervereins Wipkingen und Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins «Garte über de Gleis» und bist auch im Komitee für die Uferschutz-Initiative. Kannst du Synergien nutzen oder wie schaffst du das alles?

Judith Stofer: Ich nutze Synergien und ich vernetze mich gerne. Das ist in der kleinräumigen Welt des Kantons Zürich sehr gut möglich, der öffentliche Verkehr ist gut ausgebaut, es gibt kurze Wege. Nicht alles findet gleichzeitig statt. Ich bringe also alles ohne Stress unter einen Hut.

Du bist – wie ich – eine aus Wipkingen «Vertriebene», das heisst, du wohnst unfreiwillig nicht mehr im Quartier, sondern seit Neustem in Dübendorf. Trotzdem bist du deinem alten Quartier auf allen Ebenen immer noch treu verbunden. Warum?

Da gibt es viele Gründe. Erstens kenne und schätze ich enorm viele Menschen in den Kreisen 6 und 10. Das ist auch mein Wahlkreis. Als Kantonsrätin möchte ich mich weiterhin für Verbesserungen hier einsetzen. Auf dem «Röschi» gibt es den tollen Frischwarenmarkt, bei dem ich immer noch regelmässig einkaufe. Es gibt die vielen tollen Beizen, in denen ich gerne ein Bier oder einen Kaffee trinke. Es gibt tolle Läden wie den Schaufensterklub. Und es gibt den wunderbaren «Garte über de Gleis».

Wie unterscheidet sich dein Alltag in Dübendorf von dem in Wipkingen? Was vermisst du so richtig?

Wie oben gesagt: die tollen Beizen und Geschäfte. Und die vielen unterschiedlichen Menschen im Quartier. Die Beizen in Dübendorf sind anders, es gibt keine Möglichkeiten (oder ich habe sie noch nicht entdeckt), sich einfach zu begegnen wie auf dem Röschibachplatz oder dem «Garte über de Gleis». Das Nordbrüggli vermisse ich sehr.

Siehst du Wipkingen bereits mit «neuen» Augen, etwas mehr als Aussenseiterin?

Ja, das ist so, man ist nicht mehr im Kuchen drin. Nur schon ein paar Wochen genügen, um die Veränderungen wahrzunehmen.

Würdest du meinen Eindruck bestätigen, dass Wipkingen sich immer rasanter «verhipstert», oder sehe ich das zu einseitig?

Nein, das ist mir auch aufgefallen. Ich weiss noch nicht genau, wohin die Reise geht.

Die Bautätigkeit ist in Wipkingen nicht zu übersehen. Wird da auch etwas für Normalverdienende erschaffen?

Aktuell nicht. Ich stelle fest, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Die neuen Mieten sind absurd hoch. Weiter verliert Wipkingen Grünräume. Wenn neu gebaut wird, werden die Grundstückflächen komplett unterkellert, vor allem mit Tiefgaragen. Platz für die Wurzeln von grossen und für das Klima wichtigen Bäumen gibt es so nicht mehr. Wenn man Wipkingen auf Google-Maps anschaut, dann wird das Quartier immer grauer, weil die Grünflächen nach und nach verschwinden.

Mich hat es sehr gefreut, wie sich euer Quartiervereinspräsident zur Post-Besetzung am Wipkingerplatz geäussert hat. Aus dem Nähkästchen geplaudert – gab’s da Diskussionen im Vorstand oder waren sich alle einig?

Wir waren uns einig! Dass die Post ein Gebäude jahrelang leer stehen lassen kann, fanden alle skandalös. Wir freuen uns sehr über die Besetzung.

Was ist deine persönliche Prognose zur Zukunft der Rosengartenstrasse?

Ich hoffe, der Regierungsrat bewegt sich endlich und hört auf, Tempo 30 in der Stadt zu verhindern. Verkehr, Feinstaub und Lärm nehmen enorm zu, da gibt es keine anderen Lösungen, als den Verkehr einzuschränken und das Tempo zu reduzieren. Autobahnen durch dicht besiedelte Quartiere zu führen, ist rückständig und Politik aus den Sechzigerjahren.

Der Quartierverein hat kürzlich zwei Petitionen eingereicht, eine gegen den geplanten Bushaltestellenunterstand Nordbrücke, eine gegen den Mehrzweckstreifen auf der Nordstrasse. Welche Chancen rechnet ihr euch aus?

Die Petition Bushaltestellendach richtet sich direkt an den Chef der SBB, Vincent Ducrot. Er soll nun dafür sorgen, dass das Dach städtebaulich und quartierverträglich angepasst wird. Viel zu lange haben sich Stadt und SBB die heisse Kartoffel hin- und hergeschoben und den Quartierverein vorgeführt. Der Mehrzweckstreifen ist eine ähnlich triste Angelegenheit. Wir erwarten, dass die Verantwortlichen die Anliegen der Bevölkerung ernst nehmen.

Welche Orte müssen für dich in Wipkingen genauso bleiben, wie sie jetzt sind?

Der Park Platz Letten, der Limmat-uferraum, der Röschibachplatz und der «Garte über de Gleis».

Welche Themen stehen für dich auf Quartier-, Stadt- oder auch Kantonsebene im nächsten Jahr an? Worauf müssen wir den Fokus lenken in deinen Augen?

Auf kantonaler Ebene steht die Anpassung des Planungs- und Baugesetzes an. Es geht dabei darum, eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung zu fördern. Das tönt etwas technisch, hat aber grosse Auswirkungen auf das Klima und auf das Wohlbefinden der Menschen. Künftig müssen wir den Fokus aber nicht nur auf das Klima, sondern auch auf soziale Aspekte richten. Die Menschen müssen sich die Wohnungen leisten können. Den Wohnungsmarkt dürfen wir nicht den Gierigen überlassen. Zum Glück gibt es die Wohnbaugenossenschaften. Davon braucht es aber mehr.

Interview: Andrea Leitner

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