Zwischen Sorge, Optimismus und Kreativität

Über ein Jahr zieht sich die kräftezehrende Corona-Pandemie schon dahin. Doch die Wipkinger Gastroszene hält sich bisher erstaunlich gut im Sattel – dank kreativen Ideen und dank einer Pandemieversicherung, die von den hiesigen Restaurantbetreibern in weiser Voraussicht abgeschlossen wurde. Eine Pulsfühlung bei einigen Wipkinger Bars und Restaurants.

Mit einer kleinen Botschaft wendet sich die geschlossene Dammbar seit dem 12. Dezember an die «Damm-Freunde».

Felix Haldimann ist einer von drei Betreibern vom «Nordbrüggli». Die beliebte Bar am Röschibachplatz habe die Krise bisher mit einem blauen Auge überstanden. «Wir sind bis jetzt finanziell gut durch die Pandemie gekommen. Wir hatten das Glück, dass für den ersten Lockdown die entstandenen Verluste durch eine Pandemieversicherung übernommen wurden», meint Haldimann. Als der Betrieb dann nach dem Lockdown ab Mitte Mai 2020 geöffnet war, lief es rekordmässig gut und es gab wieder ein kleines Polster. Erst als die Sperrstunde ab 19 Uhr eingeführt wurde, kam es zu Problemen. Wie gross die Verluste sein werden, ist erst nach Abschluss des Geschäftsjahres im Sommer abzuschätzen. Doch Haldimann ist zuversichtlich, dass die Nordbrücke schnell wieder auf Kurs sein wird, wenn bald eine Wiedereröffnung folgen kann.
Ähnlich erging es auch der Dammbar. Ebenfalls durch eine Pandemieversicherung im ersten Lockdown abgesichert, hielten sich die Schäden zu Beginn in Grenzen und der grossartige Sommer konnte für viele Entbehrungen im Lockdown-Frühling entschädigen. Die Situation bleibe jedoch weiterhin angespannt, meint Michel Häberli, der die Dammbar gemeinsam mit Tim Hartje betreibt: «Finanziell war das letzte Jahr natürlich eine sehr deprimierende Geschichte. Wir konnten zwar mit dem Sommer einiges abfedern, aber die Betriebsschliessung seit der Sperrstunde und bis auf Weiteres trifft uns hart.» Mit der eingeführten Sperrstunde ab 19 Uhr hätte eine Betriebsöffnung für den Damm, der nur abends geöffnet ist, keinen Sinn gemacht, womit die beiden Inhaber sich für eine vorübergehende Schliessung entschieden haben. Seither schlummert die kleine Oase bei der Limmat vor sich hin.
Neben der Dammbar betreiben die beiden auch noch das Kafi und die Pension «fürDich im Kreis 4», welche ebenfalls stark von der Krise betroffen sind. Für Häberli ist die Devise klar: «Jetzt heisst es einfach, so lange wie möglich durchhalten. Es braucht schon einen sehr langen Atem, aber irgendwann muss sich die Situation ja auch mal wieder normalisieren.» Seinen Optimismus lässt er sich trotzdem nicht nehmen: «Wir hoffen einfach wieder auf einen schönen Sommer und, dass wir den entstandenen Schaden über die nächsten Jahre wieder aufholen können.»

 Die Sperrstunde als Stolperstein für den Barbetrieb

Wie die Nordbrücke und die Dammbar war auch das Kafischnaps durch eine Pandemieversicherung im ersten Lockdown abgesichert und konnte so die schlimmsten Schäden vermeiden. Doch mittlerweile wankt der Betrieb an der Rotbuchstrasse und kämpft zunehmend mit den Auswirkungen der Pandemie. Auch für das Kafischnaps wurde die Öffnung mit Sperrstunde im Dezember zum grossen Stolperstein. Jenny Seitz, die Geschäftsführerin, macht sich wie viele andere grosse Sorgen in der aktuellen Situation. Lange kam man mit den eigenen Mitteln aus. Doch mittlerweile musste der beantragte Corona-Kredit, den man nur als letzte Reserve benutzen wollte, angebraucht werden, um die laufenden Kosten begleichen zu können. Insbesondere bei der zum Kafischnaps gehörenden Pension gibt es viele Fragezeichen, erklärt Seitz: «Der Einbruch im Tourismus ist gewaltig. Das spüren wir natürlich. Die Zimmerbuchungen sind massiv eingebrochen und wann sich der Tourismus erholen wird, steht noch in den Sternen.».
Entsprechend unsicher ist, ob und ab wann man die Pension mit fünf Zimmern wieder betreiben kann, oder ob es ein neues Konzept geben und die Pension allenfalls aufgelöst wird. Die Bar werde dies jedoch vorerst nicht betreffen. Seitz hofft, dass wenigstens diese so bald wie möglich wieder geöffnet werden kann. Dann könnte sie mit etwas weniger Sorge die nächsten Schritte planen. Einen kleinen Grund zur Freude gibt es beim Kafischnaps dennoch. Erst kürzlich sind die Härtefallgelder eingetroffen, was den finanziellen Sorgen nun etwas Gegensteuer gibt. Ob diese finanzielle Hilfe jedoch à fonds perdu ist, ist zurzeit noch unklar.

Kreative Ideen bei den Restaurants

Auch das Quartier-Restaurant «The Artisan» ist von der Pandemie betroffen. Die Zeit des ersten Lockdowns habe man jedoch sinnvoll nutzen können, sagt Geschäftsführer Mark Thommen: «Wir blieben von Anfang an positiv und haben schnell realisiert, dass wir diese aufgezwungene Schliessung nutzen müssen, um zu reflektieren, um über unsere Werte nachzudenken, Energie aufzutanken und uns auf die Wiedereröffnung zu konzentrieren.» So suchten die Artisan-Verantwortlichen während des Lockdowns nach neuen Ideen. Zusammen mit einem Unverpacktladen realisierten sie unter anderem ein Zerowaste-Popup. Aufgrund der sich oft ändernden Lage musste dieses jedoch früher als geplant wieder geschlossen werden.
Auch wenn die ständig ändernden Einschränkungen und Vorschriften eine Herausforderung waren – nach dem ersten Lockdown im Sommer war das Restaurant immer sehr gut besucht. Und auch dem Artisan half eine abgeschlossene Pandemie-Versicherung, einigermassen gut über die Runden zu kommen und die Schäden in Grenzen zu halten.
Seit Mitte Dezember ist «The Artisan» wieder komplett geschlossen. Das Jahr 2021 wird nun eine noch grössere Herausforderung, prophezeit Thommen: «Wir werden auf jegliche Unterstützung angewiesen sein, seien es finanzielle Mittel vom Bund wie Kurzarbeit und Härtefall-Fonds oder sei es eine Mietreduktion. Und natürlich zählen wir auch auf unsere Gäste, wenn wir denn wieder öffnen können.» Dass der Schaden komplett kompensiert werden kann, bezweifelt er: «Ein Teil des entstandenen Schadens wird nicht wieder aufzuholen sein.»
Doch auch beim «The Artisan» hält man den Optimismus hoch: «Wir bleiben geduldig und haben Mitgefühl mit allen Leuten, die es entweder gesundheitlich oder finanziell noch schwerer getroffen hat. Wir bleiben positiv und haben Hoffnung, dass wir die Geschichte bald hinter uns haben und wir unsere Gäste wieder begrüssen können.»
Nicht nur das «The Artisan» hat während der Pandemie versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Auch im Restaurant SAHltimbocca bei der Busstation Lägernstrasse hat man versucht, flexibel auf wechselnde Massnahmen zu reagieren. Eine besondere Herausforderung für das Lokal mit Arbeitsintegration, erklärt die Geschäftsleiterin Pascale Suter: «Durch die wechselnden Massnahmen des Bundes waren wir stark gefordert. Zum Beispiel stellten wir die Lernstrukturen um und arbeiteten mit geteilten Gruppen. Coachings fanden zudem über Zoom und Telefon statt. Im Grossen und Ganzen haben wir alle aber viel Neues gelernt.»

Ein neues Konzept mit Zukunftspotenzial

Auch gastronomisch habe das SAHltimbocca ein neues Konzept entwickelt, meint Suter: «Wir haben bereits im ersten Lockdown unser Angebot angepasst und von klassischen Menüs auf Bowls, Bagels und Desserts im Glas gewechselt. So konnten wir nach der Schliessung des Restaurants schnell auf Take-Away umstellen. Um Kosten zu sparen, machen wir keine Lieferungen. Bestellungen können nur vor Ort abgeholt werden.»
Dieses Angebot trifft im Quartier auf Zuspruch. Es hat sich sogar so gut etabliert, dass es künftig beibehalten werden soll. Durch die schnelle und flexible Umstellung auf Take-Away konnte also einerseits der finanzielle Schaden eingegrenzt und andererseits ein neues Konzept mit Zukunftspotenzial gefunden werden.
Doch nicht nur Restaurants waren kreativ in der Pandemie. Auch bei der Dammbar wurde im Hintergrund ein langjähriges Projekt vorangetrieben. Demnach soll im besten Fall bereits im Frühling mit einem erweiterten Garten, einer Containerküche und Terrasse mit Blick auf die Limmat die einsame Zeit der Pandemie möglichst schnell wieder vergessen gemacht werden.

 

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