Politik
Drogenszene Letten: 30 Jahre später
Wo steht die Drogen- und Suchtpolitik heute? An einer Medienkonferenz informierten vier Mitglieder des Stadtrates - Andreas Hauri, Filippo Leutenegger, Raphael Golta und Karin Rykart - über die vier Säulen der Drogenpolitik.
12. Februar 2025 — Dagmar Schräder
Am 14. Februar 1995 wurde die offene Drogenszene auf dem stillgelegten Bahnhof Letten aufgelöst. Die Schliessung bedeutete einen Wendepunkt in der städtischen Drogenpolitik, welche sich in den 1970er- und 1980er- Jahren vorwiegend auf Repression konzentriert hatte.
Seither, so erklärte Stadtrat Andreas Hauri, Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements, in seinen eröffnenden Worten zur Pressekonferenz, sei sich die Stadt einig, dass derartige Zustände, wie sie auf dem Platzspitz und nach dessen Schliessung beim Bahnhof Letten herrschten, auch in Zukunft um jeden Preis verhindert werden müssen.
Um diese Aufgabe zu bewältigen, habe der der Bund die «nationale Strategie Sucht», ein Vier-Säulen-Modell, welches vier Handlungsfelder beinhaltet, erarbeitet. Bei den vier Säulen handelt es sich um die Bereiche Prävention, Repression, Schadensminderung und Therapie.
Was dieses Modell für die Stadt Zürich bedeutet, das präsentierten neben Hauri auch Filippo Leutenegger (Vorsteher des Schul- und Sportdepartements), Raphael Golta (Vorsteher des Sozialdepartements) und Karin Rykart (Vorsteherin des Sicherheitsdepartements) gemeinsam den Medien.
Prävention beginnt in der Kindheit
Leutenegger machte deutlich, was unter dem Aspekt der Prävention zu verstehen ist: Einerseits gehe es darum, den Einstieg in den Substanzkonsum zu vermeiden beziehungsweise hinauszuzögern, andererseits risikoreiches Verhalten mit Suchtpotenzial zu verringern, eine Suchtgefährdung zu erkennen und weiterführende Unterstützung zu vermitteln.
Prävention sei in allen Lebensphasen wichtig, von der frühen Kindheit über Jugend, Erwachsenenalter bis ins Alter. Von grosser Bedeutung sei in diesem Zusammenhang für Kindheit und Jugend ein entsprechendes Zusammenspiel zwischen Jugendlichen, Eltern und dem Schulpersonal.
Die Bäckeranlage als Beispiel
Anhand des Beispiels der Bäckeranlage erläuterte Rykart, wie in punkto Repression verfahren wird. In der Bäckeranlage habe sich in der jüngeren Vergangenheit nicht nur eine Szene von Alkoholkonsumierenden etabliert, es seien auch vermehrt Drogenverkäufe und -konsumation beobachtet worden – an einem Platz, der auch von vielen Familien und Kindern intensiv genutzt wird.
Um die Situation zu verbessern, habe man hier zunächst die Polizeipräsenz erhöht und bei den umliegenden Schulhäusern die privaten Sicherheitsdienste ausgebaut. Auch die SIP und das mobile Beratungsangebot «Ein Bus» verstärkten ihre Anwesenheit, zudem wurde eine provisorische Anlaufstelle geschaffen.
Zeitgleich wurde mit dem Ausbau des soziokulturellen Angebots dafür gesorgt, dass der Platz weiterhin belebt blieb. Tatsächlich hätten diese Massnahmen, so Rykart, dafür gesorgt, dass sich die Situation in den letzten Monaten entspannt habe.
Eine suchtfreie Gesellschaft gibt es nicht
Zum Punkt Schadensminderung äusserte sich Golta: Aus den Erfahrungen mit dem Letten-Areal habe man gemerkt, dass Repression alleine nicht funktioniere, sondern dass die Polizei vermehrt auch mit dem Sozialwesen zusammenarbeiten müsse, wie das aktuell auf der Bäckeranlage geschehe.
Zudem sei Abstinenz nicht (mehr) das Ziel der Drogenpolitik, es brauche vielmehr eine akzeptanzorientierte Haltung – die suchtfreie Gesellschaft existiere nicht. Zur dieser Haltung gehöre, so Golta, das Angebot von Räumen für den inhalativen Konsum in den Kontakt- und Anlaufstellen.
Auch die Tolerierung von Micro-Deals in den Anlaufstellen gehört zum Konzept. Dieses Modell sei im internationalen Vergleich beispiellos. Daneben seien es die aufsuchende Sozialarbeit, die Schaffung von Tagesstrukturen und die Bereitstellung von Unterkünften, die in Bezug auf die Schadensminderung wichtig seien.
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